Hügelgräber ohne Ende

Wieder einmal hatten Volker Häußler (Kreisbodendenkmalpfleger i.R.) und Alexander Schacht (Untere Denkmalschutzbehörde LRO) eine gemeinsame Exkursion organisiert. Zentrales Thema heute (9. April 2016): Bronzezeitliche Hügelgräber. Aber auch einige andere Sehenswürdigkeiten bei Neubukow (zwischen Rostock und Wismar gelegen) sollten besucht werden. Ich selber kannte einige Hügelgräber in der Kühlung, jenem während der letzten Eiszeit entstandenen Höhenzug, dem Kühlungsborn seinen Namen zu verdanken hat. Auch von anderen Exkursionen und Pflegeeinsätzen her waren mir diese Grabanlagen bekannt. Etwas in dieser Art erwartete ich heute. Es kam aber ganz anders. Doch der Reihenfolge nach: Wir trafen uns 9:30 Uhr auf dem Marktplatz Neubukow. Alle waren pünktlich. Ich zählte 16 Teilnehmer. Das ist, denke ich, eine ideale Größe für eine derartige Exkursion. Sehr zu meiner Freude waren auch Ehrenamtliche dabei, mit denen ich ohnehin gerne am Rande solcher Gemeinschaftsaktionen ins Gespräch komme.

Marktplatz Neubukow Bild1 Marktplatz Neubukow Bild2

Unsere erste Station war die Dorfkirche Passee. Wir erführen, dass dieser Bau einige Besonderheiten aufweist. Bei der Untersuchung der Hölzer des Dachstuhls stellte sich heraus. dass der Char der Kirche bereits 1284 erbaut wurde. Die urkundliche Erwähnung erfolge natürlich erst wesentlich später. Ein weiteres Unikum dieser Kirche sind beschriftete Backsteine, die willkürlich in das Mauerwerk integriert wurden. Die bisher gefundenen Inschriften ergeben durchaus einen Sinn, sind aber während des Bauens vollkommen durcheinander geraten. Hinter der Kirche befindet sich der stark verfallene hölzerne Glockenturm, der seine Glocke nicht mehr tragen kann, Sie steht jetzt separat direkt neben dem Gebäude. In einer Felsgesteinmauer fand Herr Schacht heute eine Reibemühle. Die war bisher nicht bekannt.

Dorfkirche Passee Bild 1 Dorfkirche Passee Bild 2 Dorfkirche Passee Bild 3 Dorfkirche Passee Bild 4 Dorfkirche Passee Bild 5 Dorfkirche Passee Bild 6 Dorfkirche Passee Bild 7

Nur etwa 300 Meter von der Kirche entfernt, erhebt sich ein imposanter Turmhügel. Diese mittelalterliche Wehranlage, welche damals von zwei Wällen und zwei Gräben umgeben war, stammt aus dem 13./14. Jahrhundert. Der Turmhügel alleine misst einen Durchmesser von 30 Metern. Mit den Wallanlagen unf Gräben zusammen ergibt sich ein Durchmesser von mehr als 100 Meter.

Turmhügel Passee Bild 1 Turmhügel Passee Bild 2 Turmhügel Passee Bild 3

Weiter ging’s in ein Naturschutzgebiet. Das sogenannte Entenmoor. Es umfasst 11,5 ha. Seine Moormächtigkeit beträgt 5,7 Meter. Zahlreiche seltene Pflanzen- und Tierarten sind hier zu finden. Unmittelbar angrenzend besichtigten wir eine mutmaßliche Wallanlage. Die Interpretation dieser Struktur ist stark umstritten. Obwohl sich mehrere Forscher bisher bemühten, hier Klarheit zu schaffen, fehlen nach wie vor Funde, die die These untermauern.

Naturschutzgebiet Entenmoor Wallanlage Bild 1 Wallanlage Bild 2 Wallanlage Bild 3

Ein paar kurze Autominuten weiter die ersten Hügelgräber. Ihre Besonderheit ist es, dass sie direkt auf der Grenze zwischen dem heutigen Landkreis Rostock und dem Landkreis Nordwestmecklenburg liegen. Eine uralte Flurgrenze, die offensichtlich in vergangegen Zeiten auch mittels Steinsetzungen markiert wurde.

Hügelgräber an der Flurgrenze Bild 1 Hügelgräber an der Flurgrenze Bild 2 Hügelgräber an der Flurgrenze Bild 3 Hügelgräber an der Flurgrenze Bild 4

Jetzt stehen wir mitten auf dem ehemaligen Gutshof Steinhagen, von dem nur noch wenige Nebengebäude erhalten sind. Im ehemaligen Herrenhaus, das in den 1980er Jahren abgerissen wurde, lebten lange Zeit Angehörige der weit verzweigten Familie von Liebeherr. So z.B. auch Otto Friedrich Maximilian von Liebeherr (1814-1896), der Vizekanzler der Rostocker Universität war. Noch gut zu erkennen, sind die Reste eines ehemaligen Eiskellers.

Eiskeller Bild 1 Eiskeller Bild 2 Eiskeller Bild 3

Herr Schacht sagte: „Wenn ein Ort das Attribut »steinreich« verdient, dann ist es Steinhagen.“ Den Beweis sollte uns die folgende etwa 8 km lange Wanderung bringen. Die letzte Eiszeit hat hier besonders großzügig Steingeröll hinterlassen, aus dem auch die vielen Hügelgräber errichtet wurden. Man nahm das Material, das in Hülle und Fülle vorhanden war. Gleich zum Anfang sahen wir zwei sehr gut erhaltene Hügelgräber, die geschützt von Bäumen stolz in der Landschaft standen. Ursprünglich gehörte noch ein drittes dazu. Es war als Bodendenkmal beim Denkmalschutz registriert. In den 1980er Jahren wurde es leider im Zuge eines Wegebaus kurzerhand mit einer Planierraupe an den nahen Waldrand geschoben. Unfassbar.

Zwei Hügelgräber, das dritte fehlt

Das nächste Hügelgrab hat ein aktuelles Ärgernis. Der Jagdpächter hatte mitten auf dem Hügel einen Unterstand gebaut. Er wurde vom Denkmalschutz beauflagt, diesen zu entfernen. Das tat er auch und baute sich unmittelbar daneben einen Hochsitz. Das stört zwar immer noch den Betrachter der Anlage, ist aber wohl so hinzunehmen. Was aber überhaupt nicht hinnehmbar ist, ist seine Entsorgung des alten Unterstandes, den er einfach samt Wellblech und Balken den Hügel runter gekippt hat. Von Menschen, die sich gerne in der Natur aufhalten, habe ich etwas mehr Umweltbewusstsein erwartet.

Hügelgrab mit Hochsitz

Danach ging es dann Schlag auf Schlag. Ein Hügelgrab schöner als das andere. Es war wirklich beeindruckend so viele gut erhaltene Anlagen auf so engem Raum zu sehen. Ich kam aus dem Staunen gar nicht wieder raus. Ich habe nicht mitgezählt, aber über 10 Hügelgräber waren es auf alle Fälle alleine hier bei Steinhagen.

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Uns fiel leider auf, dass auf nahezu jedem Hügel Spuren von Grabungen vorhanden waren. Während man bei einigen noch annehmen konnte, dass sich eventuell Wildschweine hier zu schaffen machten, waren andere Löcher eindeutig von Menschenhand. Gut zu erkennen an den glatt durchgeschnittenen Wurzeln. Die Untere Denkmalschutzbehörde und das Landesamt werden die Spuren noch einmal genau analysieren und den Sachverhalt prüfen.

Grabungsschäden an Hügelgräbern Bild 1 Grabungsschäden an Hügelgräbern Bild 2 Grabungsschäden an Hügelgräbern Bild 3 Grabungsschäden an Hügelgräbern Bild 4

Nach so vielen Hügelgräbern haben wir dann noch einen »verwunschenen« Ort aufgesucht. Mitten im Wald gelegen, besuchten wir den Friedhof, auf dem, durch eine niedrige kreisrunde Feldsteinmauer abgegrenzt, das Erbbegräbnis deren von Liebeherr liegt. Von der ursprünglichen Kapelle steht nur noch das Fundament. Ringsum wurden auch Gutsangehörige bestattet. Der Friedhof wurde noch vereinzelt nach 1945 genutzt, wie einige Grabsteine belegen.

Friedhof Steinhagen Bild 1 Friedhof Steinhagen Bild 2 Friedhof Steinhagen Bild 3 Friedhof Steinhagen Bild 4

Schließlich ging es zurück durch den verwilderten Gutspark zu unseren Fahrzeugen. Hier endete unsere Exkusion, welche wir bei schönstem Frühlingswetter genießen durften. An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an die beiden Organisatoren Herrn Häußler und Herrn Schacht. Es war ein toller Tag!

Zum Schluss noch eine Bitte in eigener Sache: Als einzigem Bundesland Deutschlands fehlt Mecklenburg-Vorpommern ein Archäologisches Landesmuseum. Seit über 24 Jahren wird die Realisierung politisch auf die „lange Bank“ geschoben. Eine, für den Tourismus und die Bewohner dringend notwendige Institution, wird nicht realisiert. Die Initiative Pro Archäologisches Landesmuseum (IPAL) möchte da nicht weiter tatenlos zusehen. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer Unterschrift:

IPAL-MV.de

Jürgen Krakor




Manches ist anders, als es scheint …

Bei Tauchprospektionen ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger in der Nähe der slawischen Fürstenburg Werle (Lkr. Rostock) kam im Jahr 2010 ein Rostklumpen ans Tageslicht, der eine Axt sowie einen Schildbuckel zu enthalten schien. In diesem Flussabschnitt waren bereits mehrfach Funde aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts geborgen worden, so dass es nahe lag, auch den neuen Fund in diesen Zeitraum zu datieren.

Aber es kam anders: Während der Freilegung in der Werkstatt des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege trat zwar die erwartete Axt zu Tage – eine Streitaxt skandinavischen Typs –, der erwartete völkerwanderungszeitliche Schildbuckel erwies sich jedoch als Aufsatz einer Petroleumlampe. Beide Fundstücke waren durch die Korrosionsprodukte fest miteinander verbacken.

In der Archäologie gilt normalerweise der Grundsatz, dass das, was in ungestörten Zusammenhängen gefunden wird, in der Regel auch gleich alt ist. Wäre das Konglomerat aus Axt und Lampenaufsatz ein solcher „geschlossener Fund“, dürfte nun die Geschichte umgeschrieben werden: Unsere slawischen Vorfahren hätten die Besitzer der Streitaxt tatsächlich schon mit Petroleumlampen begrüßen können. Was für eine Erkenntnis! Und ganz nebenbei wäre Bismarcks Postulat, in Mecklenburg geschehe alles fünfzig Jahre später, endgültig widerlegt worden.

Leider ist der Lampenaufsatz jedoch eindeutig neuzeitlichen Ursprungs. Erst als er im 19. oder 20. Jahrhundert in die Warnow fiel, traf er auf die völkerwanderungszeitliche Streitaxt. Die allmählich entstehende Kruste aus Korrosionsprodukten verband die ungleichen Fundstücke.

Rund 250 ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger unterstützen die Landesarchäologie in Mecklenburg-Vorpommern. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Erfassung der archäologischen Fundstellen. Seit 2008 können sich ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger in einem Zusatzlehrgang auch für den Einsatz eines Metalldetektors qualifizieren. Einige der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen, wie das bronzezeitliche Schlachtfeld im Tollensetal, gehen auf ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger zurück.

Archäologen und ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger erleben immer wieder solche kuriosen Überraschungen. Auch sie verdienen es, erzählt zu werden – nicht zuletzt in einem künftigen Archäologischen Landesmuseum. Unterstützen bitte auch Sie mit Ihrer Unterschrift unsere Initiative:

IPAL-MV.de

Dankeschön!

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(Fotos: LAKD MV/LA)