Auf dem Weg nach Hel

Mit der Spurensuche nach der antiken Vergangenheit der südlichen Ostsee wird eine Ortschaft im heutigen Polen jedem Suchenden immer wieder ins Auge fallen. Am Ende der Halbinsel Hela befindet sich die heutige Kleinstadt Hel. Ein markanter Name. Auf Wikipedia findet man zu jener Stadt folgende Informationen: „Die Ortschaft ist älter als 700 Jahre. Vom 13. bis zum 16. Jahrhundert existierten in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander die beiden Orte Alt-Hela und Neu-Hela. Alt-Hela befand sich etwa zwei Kilometer nord-westlich der heutigen Stadt. Die heutige Stadt geht auf die mittelalterliche Ortschaft Neu-Hela zurück, die vermutlich im 13. Jahrhundert von Lübecker Kaufleuten als Kaufmannssiedlung gegründet wurde. (…)“

Interessant ist, dass sich die Altersangabe von 700 Jahren wohl nur auf Neu-Hela beschränkt, während erwähnt wird, dass Alt-Hela etwa 2 km n.w. vom heutigen Hel liegt und vermutlich nicht zu dieser Zeitangabe passt. Des Weiteren ist es interessant, dass alle Völker, bzw. Volksstämme aus der unmittelbaren Umgebung diesen Ort als Hela (deutsch), Hél (kaschubisch), oder Helski/Helska (polnisch) bezeichnen und damit eigentlich auch die heutige Halbinsel meinen, bzw. war diese Ortschaft auch der Namensgeber für die heutige Halbinsel Hela (deutsch), Hélskô (kaschubisch), oder Półwysep Helski, Mierzeja Helska (polnisch). Die zentrale Silbe für die Namensgebung war und ist in allen Sprachen offensichtlich HEL. Was die Sache aber wirklich spannend macht, ist folgende Information zur Geographie der Gegend: „Die Halbinsel entstand aus einer Kette von kleinen Inseln, die sich bis zum 18. Jahrhundert hier befanden. Nach und nach schlossen sich durch die Strömung die Lücken zwischen den Inseln mit Dünen. Damit stellt die Halbinsel Hela eine Nehrung dar, wie sie für eine Ausgleichsküste dieses Teils der Ostsee typisch ist. Im Gegensatz zur Frischen und zur Kurischen Nehrung war aber die dahinter liegende Danziger Bucht zu groß, als dass sie wie ein Haff fast vollständig von der Ostsee hätte abgetrennt werden können.“

Kurz um: Je weiter man in der Zeit vor dem 18. Jahrhundert zurück geht, desto kleiner wird die Halbinsel, bis diese nur aus einer handvoll kleiner Inseln besteht. Könnte es sein, dass etwa in der Zeit um Christi Geburt die Geographie der Gegend so aussah, dass sich nur in einem harten, sehr kalten Winter eine zugefrorene Landeiszunge vom Festland bis zur äußersten Insel HEL bildete?

In eine der älteren Geo-Epochen wurde einmal erwähnt, dass einige Forscher meinten, ohne nähere Gründe zu beschreiben wie sie zu dieser These kamen, dass der Ursprung der germanischen und damit auch der vikingerischen Glaubenswelt irgendwo in den Jahrhunderten v.Chr. zw. der Oder und dem heutigen Memelland zu finden sei, bzw. man dort deren Ursprung vermutete. In jenem Gebiet und zu besagter Zeit sind bisher die Goten bekannt, welche bereits noch vor der Zeit ihrer großen Südwanderung (ab dem 2. Jahrhundert n. Chr.) dort verstärkt auftraten, sich mit unbekannten germanischen Stämmen teilweise zusammenschlossen und dort siedelten. Der römisch-gotische Gelehrte Jordanes bezeichnete dieses Stück Land, basierend auf den Schriften von Cassiodor, als „Gothiscandza“, dh. „Gotenküste“. Ein Gebiet, welches heute in etwa der Weichselmündung entspricht. Wobei der Name „Scandza“ u.a. eventuell auf die nordische Göttin Skadi zurückgehen könnte. Eine andere Interpretation soll aber auch, basierend auf Herleitungen alter Sprachen möglicherweise „gefährliches Küstenland“ sein. Könnte es also sein, dass es schon wesentlich früher dort eine feste Siedlung, mit/oder einem/n Kultplatz gab, welcher der Göttin HEL geweiht war, bzw. war diese Göttin die eigentliche Namensgeberin für diese Region?

Wer ist Hel? „Hel als Totengöttin ist die Tochter Lokis und der Riesin Angrboda, wird aber nicht dem Göttergeschlecht der Asen zugerechnet, sondern zu den Riesen gezählt. Ihre Haut ist zur einen Hälfte von normaler Farbe, zur anderen blau bis schwarz, was zeigt, dass sie halb tot und halb lebendig ist (bisweilen wird sie auch als zur Hälfte alt und zur Hälfte jung beschrieben). Zusammen mit ihren beiden Geschwistern, dem Fenriswolf und der Midgardschlange, wurde sie von den Asen nach Asgard gebracht. Später, nach Hels Verbannung aus Asgard gründete sie ein Reich im Norden, wo sie alle Menschen und Wesen zu sich holt, die den „Strohtod“ gestorben sind, d.h. ihren Tod auf dem Sterbelager fanden. Ihre Welt Helheim ist eine der Welten Utgards und befindet sich unter den Wurzeln des Weltenbaums Yggdrasil. Diese Welt kann nur über den Todesfluss Gjöll und die goldene Brücke Gjallarbrú erreicht werden, an der die Aufseherin Móðguðr („zorniger Kampf“) jeden Neuzugang befragt. Eine Rückkehr aus dieser finsteren Unterwelt ist kaum möglich.“

„Das Reich Helheim ist dunkel und kalt. Es liegt am unteren Ende Yggdrasils, des Weltenbaumes. Hierhin kommen alle, die den „Strohtod“ (Altersschwäche, Krankheit) gestorben sind. In einem Teil Helheims, der Náströnd genannt wird, werden Meineidige, Mörder und Ehebrecher bestraft. Das Reich nimmt außerdem auch verstorbene Götter, wie zum Beispiel Balder, auf. Aus diesem Reich gibt es keine Wiederkehr. Dabei erfuhr Helheim eine Umwertung. Zunächst war es als ein Ort für alle Toten gedacht. Vermutlich unter dem Einfluss des Christentums entstand die Vorstellung von einem Ort der Strafe und des Leidens und entspricht später der christlichen Höllenvorstellung.“

Hel ist die Herrin von Helheim, einer sehr kalten und trostlosen Unterwelt der Toten, bzw. einem Ruheort für all die Toten, die an Krankheiten gestorben, oder friedlich eingeschlafen sind. Ihr Reich kann nur über die Brücke Gjallarbrú betreten werden, welche mit leuchtendem Gold gedeckt ist, oder oft auch als Regenbogen beschrieben wurde.

Hel als Stadt ist ein Ort im heutigen Polen, welcher auf einer versunkenen Ortschaft basiert, die sich Alt Hela nennt. Es ist auch ein Name für eine heutige Halbinsel, welche vor ca. 2000 Jahren noch eine Inselkette gewesen ist, die man im Winter vom Festland aus über eine Eisbrücke begehen konnte? Eventuell durch Lichtbrechung, oder durch biologische Prozesse von Algen auf den Sandbänken könnte sich ein Regenbogen auf dem Eis gebildet haben? Sind es die Halluzinationen von hungernden Pilgern, die die Gegend in antiker Zeit zu einem Kultplatz für Hel, am Ende einer in der Sonne glänzenden Eisbrücke, der Gjallarbrú gemacht haben?

Ist der Ort Hel eventuell auf germanische, oder spätere Siedler der Vikinger zurück zuführen? Die Mehrheit der anderen Ortsnamen auf, oder vor der Halbinsel HEL sind größtenteils dänischen, oder nordischen Ursprungs. Ortsnamen wie u.a. „Rixhöft, Heisternest, Rücköfen und Rossiten“ lassen diesen Schluss zu. Immerhin liegt der Ort HEL direkt auf dem Weg in die Weichselmündung, einem Fluss, der bereits in den frühen Jahren der Vikingerfahrten offensichtlich häufiger genutzt wurde.

Der danziger Forscher Ernst Förstemann brachte den Namen Hel übrigens in Verbindung „mit der heidnisch – germanischen Bestattung auf Inseln, die in den Flüssen oder vor der Mündung derselben liegen. Solche Inseln, die ja später teilweise mit dem Festlande verwachsen sein mögen, scheinen häufig mit dem urdeutschen Worte „Haelja“ bezeichnet zu sein, was geradezu den Ort des Verbergens oder Begrabens vom Verb „hilan“ zu meinen scheint. Aus diesem konkreten Sinn hat sich erst die Bedeutung des Totenreiches und der nordischen Hel entwickelt. Solche Inseln gibt es auf germanischem Gebiete verschiedene.“ In Förstemanns Ableitung von dem Namen der Todesgöttin Hel spielt Hela dabei eine bedeutende Rolle, obwohl es heute etwas befremdet, daß Hela bei ihm eine Insel ist. „Das Hela schon von langer Zeit eine Inselkette gewesen sein muss, ist bekannt. Weiterhin ist aber auch zu bemerken, dass die Halbinsel Hela in geschichtlicher Zeit mehrmals durch Durchbrüche vom Festland getrennt wurde und das zum anderen auch die Bewohner von Hela, die „Heelschen“ selbst manchmal in ihrer Mundart vom Land Hela als einer Insel sprechen, da sich ihr Kontakt zur weiteren Außenwelt ja hauptsächlich mit Booten vollzog.“

War HEL schon in antiker, germanischer Zeit ein bekannter Ort?

Das es bereits zur römischen Eisenzeit auch in Skandinavien, Dänemark und Norddeutschland einen ausgeprägten Schiffbau gab, dass beweisen zahlreiche Funde im Moor von Nydam in Jütland, welches zu den größten, archäologischen Fundstätten jener Zeit, zwischen den Jahren 50 n.Chr. bis etwa 450 n.Chr., gehört.

Des Weiteren haben einige Wissenschaftler der TU Berlin in ihrer Auswertung der antiken Karte der Germania Magna den Anfangs- und den Endpunkt einer antiken Bernsteinhandelsroute festgelegt. Ein antiker Hellweg. Jener Haupttangente des Bernsteinhandels, welcher am antiken Ort Ascaucalis seinen Anfang genommen haben soll und am römischen Ort Askiburgium an der Rheinmündung sein Ende nahm. Ascaucalis selbst ist einer der am Besten nachgewiesenen Ortschaften auf der Germania Magna. In Übereinstimmung mit anderen Forschern wurde Ascaucalis durch die TU Berlin als das heutige Osielsk am Fluss der Weichsel bei Bromberg (Bydgoszcz), beschrieben. Dieser erste Knotenpunkt des Bernsteinhandels liegt etwa 100 km flussaufwärts von der Weichselmündung entfernt. Die spätere Stadt Danzig war im Mittelalter eine der reichsten Städte jener Zeit. Der Grund: u.a. der Bernsteinhandel. Auch heute noch ist die Danziger Bucht und die Halbinsel Hel eines der größten Fundgebiete von Bernstein überhaupt.

Erst vor einigen Tagen haben polnische Archäologen die Ergebnisse von Ausgrabungen auf dem Gebiet von Kujawien (also jenem Areal, wo sich auch die antike Ortschaft Ascaucalis befunden haben könnte) veröffentlicht. Ihre größten Funde: Teile von römischen Rüsten im Barbarikum. Das zeigt wie bekannt dieser Umschlagplatz des Bernsteins im Imperium war. Ob diese Rüstungsteile nun die Ausrüstungen von Förderaten gewesen waren, also von nicht römischen Soldaten in den Legionen Roms, die einfach nach ihrer Dienstzeit wieder nach Hause gingen, oder ob jener Ort dauerhaft von einer römischen Garnison bewacht wurde, dass bleibt weiterhin offen. Auf jeden Fall ist es ein kleiner Meilenstein in der Erforschung des baltischen Barbarikums in den Jahren um Christi Geburt.

Kurz um: HEL könnte also schon zu germanischer Zeit eine bekannte Insel gewesen sein, denn um die Zeit von Christi Geburt herum nahm der Bernsteinexport u.a. aus der Danziger Bucht seinen Anfang am Umschlag- und Sammelplatz von Ascaucalis an der Weichsel. Die Bootsfunde in Jütland und die Lage von Ascaucalis bezeugen, dass bereits auch die Germanen über ausgeklügelte Bootskonstruktionen größerer Ordnung verfügten. Stichwort: Das Schiff von Nydam. Die Funde von römischen Rüstungen in Kujawien verdeutlichen die Bedeutung jener Region außerhalb des Imperiums für das europaweite Handelsnetz.

Alles in Allem wäre somit schon vor ca. 1900 Jahren der Flussweg von Ascaucalis den Strom hinab zur Weichselmündung bis die Danziger Bucht hindurch zur Insel Hel ein wahrhaftiger grimmscher Helvegr?

Abschließend können nur archäologische Ausgrabungen auf der heutigen Halbinsel Hel wirkliche Gewissheit geben. Eine internationale Forschungsexpedition auf HEL wäre traumhaft, ist aber aufgrund der aktuell weiterhin unentspannten Lage zw. Deutschland und Polen sicher nicht leicht. Außerdem befinden sich heute noch zahlreiche Museen und alte Sperrgebiete auf jener Halbinsel. Wie z.B. die der verlassenen Bunkeranlagen der Batterie Schleswig-Holstein.

Luftaufnahme von Martin Hoffmann
(CC BY-SA 3.0 Wikipedia)

Abschluss:

Die Band „Wardruna“ veröffentlichte im Jahr 2013 ein neues Album. Wardruna ist eine norwegische Band, die sich musikalisch mit der nordischen Mythologie auseinandersetzt. Zum Einsatz kommen die ältesten der nordischen Musikinstrumente und poetischen Künste in Norwegisch, Altnordisch und Althochdeutsch. Ihr letzter Titel vom Album Yggdrasil ist der Titel „Helvegen„.

In einigen Versen dieses Liedes heißt es:

„Du blir laust frå banda som bind deg
Du er løyst frå banda som batt deg.“

dh.:

Du wirst frei sein von den Fesseln, die dich binden!
Du bist befreit von den Fesseln, die dich banden!

Jene Verse erinnern sehr stark an bestimmte Zeilen aus den Merseburger Zaubersprüchen.

Was sind die Merseburger Zaubersprüche? „Die Merseburger Zaubersprüche (M.Z.) sind nach dem Ort ihrer Auffindung in der Bibliothek des Domkapitels zu Merseburg benannt. Dort wurden sie 1841 von dem Historiker Georg Waitz in einer theologischen Handschrift des 9./10. Jahrhunderts entdeckt und 1842 von Jacob Grimm erstmals herausgegeben und kommentiert. Die zwei Zauberformeln sind in althochdeutscher Sprache niedergeschrieben. Sie nehmen Bezug auf Themen und Figuren der vorchristlichen germanischen Mythologie.“

Die betroffenen Zeilen aus den MZ sind:

suma clûbodun umbi cuniowid,
 insprinc haftbandun, infar wîgandun.

dh.:

„Einige klaubten herum an den festen Fesseln,
entspringe den Haftbanden, entkomme den Feinden.“

Während wahrscheinlich mit der ersten Bezeichnung aus dem norwegischem „Weg nach Hel“ die Darstellung des Todes, im Sinne der Befreiung der Seele gemeint ist, scheint eine ähnliche Erzählung aus den Merseburger Zaubersprüchen sich mehr mit der Befreiung aus einem bestimmten Zustand zu beschäftigen!? Das ist durchaus interessant, denn der Norweger Einar Selvik meinte, dass es in jener Mythologie kein absolutes Ende gebe und sich alles in Kreisen bewegt, d.h. der Tod ist wieder herum der Beginn von etwas Neuem. Des Weiteren ist dies ein Indiz für einen Kulturraum von Skandinavien bis hinein nach Norddeutschland, welcher auf engere Kontakte zwischen jenen Völkern schließen lässt.

In diesem Sinne:

Du kommst frei von den Banden, die dich halten!
Du bist erlöst von den Fesseln der Unwissenheit, die dich hielten!

Nebenbei:

Die Ähnlichkeit zw. Hans Christian Andersens Schneekönigin mit ihrem kalten Herzen und ihrer düsteren und gefrorenen Welt erinnert doch sehr an Hel und Helheim. Auch die positiv besetzte Figur von Frau Holle scheint eine andere Interpretation von Hel zu sein.

Illustration von Elena Ringo
(CC BY 3.0 Wikipedia)

QUELLEN:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hel_(Stadt)
https://de.wikipedia.org/wiki/Halbinsel_Hel
https://de.wikipedia.org/wiki/Hel_(Mythologie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Gothiscandza
https://de.wikipedia.org/wiki/Skadi
https://de.wikipedia.org/wiki/Nydam-Moor
https://de.wikipedia.org/wiki/Nydam-Schiff
http://www.balsi.de/Weltkrieg/Waffen/Bunker/Hela.htm
https://www.musixmatch.com/de/songtext/Wardruna/Helvegen/ubersetzung/deutsche
https://anthrowiki.at/Gjallarbr%C3%BA/
https://de.wikipedia.org/wiki/Hellweg
http://scienceinpoland.pap.pl/en/news/news%2C29414%2Carchaeologist-we-have-evidence-presence-roman-legionaries-poland.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Schneek%C3%B6nigin
Frau Holle: https://de.wikipedia.org/wiki/Perchta
https://de.wikipedia.org/wiki/Merseburger_Zauberspr%C3%BCche
Germania und die Insel Thule – Die Entschlüsselung von Ptolemaios Atlas der Oikumene; Seite 44 – 45
Römische Rüstungen in Kujawien (damals Gothiscandza):

 




Magna Germania – Antike Städte im Barbarikum

Claudius Ptolemaeus war ein antiker Wissenschaftler, der um das Jahr 100 n.Chr. in der römischen Provinz Ägyptos lebte und dort höchstwahrscheinlich seine Werke und wissenschaftlichen Thesen aus den Werken früherer Wissenschaftler der berühmten Bibliothek von Alexandria zusammenstellte.

Seine Karte gilt offiziell bis heute als die erste topografische Darstellung vom antiken Germanien. Seine „Magna Germania“ soll er dabei aus Berichten, Protokollen und Schriftwerken von römischen Händlern und den Vermessungstechnikern der Legionen zusammengestellt haben. Dh., dass seine Darstellung logischerweise auf älteren Berichten habe beruhen müssen, denn er selbst war sicher nie allzu weit weg von Ägypten. Interessant ist dabei seine relativ genaue Darstellung der Umrisse der Nordseeküste und der Halbinsel Jütland, sowie der Elbe, welche somit als signifikante Orientierungspunkte im Zusammenhang mit den modernen Karten dienen kann. Dabei hat Ptolemaeus bereits größere Ortschaften vermerkt. Allerdings kann man diese größeren Orte Germaniens sicher nicht mit römischen Civitas, oder Colonias (Städte) vergleichen. Das wäre auch ein völlig anderer Kulturkreis und ein anderer Stand der Entwickelung.

Dennoch müssen diese Orte bereits wichtige Knotenpunkte des Fernhandels, Macht- oder Kulturzentren, um das Jahr 0 herum gewesen sein, die wesentlich länger bestanden, als die meisten, germanischen Wandersiedlungen, welche wahrscheinlich nur von wenigen Generationen bewohnt waren. Das Wissen um die Landwirtschaft war wohl noch nicht gut ausgeprägt und die Felder und Wälder in der Umgebung eines Dorfes konnten wahrscheinlich nur 2-3 Generationen ernähren, bevor die Erträge der Landwirtschaft und die ausreichende Anzahl der Wildpflanzen- und Tiere erschöpft war. Offensichtlich war dies nicht überall in Germanien der Fall.

Schauen wir uns dazu einige der Ortsnamen auf der Magna Germania an:

Aregelia = Vorgänger des heutigen Leibzigs
Lupfurdum = ungefähr auf dem Gebiet des heutigen Dresdens
Treva = Vorgänger von Hamburg,
ein früher Knotenpunkt der „Bernsteinstraße“, im Teutonenland
Marionis = heute Mölln, östlich von Hamburg?
Leufana = Lüneburg, die Universität von Lüneburg nennt sich heute „Leuphana“, um 100 n.Chr. im Teutonenland
Leufana und Treva liegen am Fluss Albis,
Interessant: Zu römischer Zeit hieß England „Albion“

Touliphourdon = heute vermutlich Hannover,
Kerngebiet der späteren Sachsen,
zu Ptolemäus Zeiten noch Chauken/Cheruskerland
Tiliphourdi = heute vermutlich Bremen, Kerngebiet der späteren Sachsen, zu Ptolemäus Zeiten noch Chauken/Cheruskerland
Orelü = heute ziemlich genau Bremerhaven
Tuderi = heute wahrscheinlich Osnabrück
Aregelia = heute vermutlich Leipzig, damals Langobardenland
Marobudi = Königssitz von Marbod dem Markomannen
Budorgis = damals Hauptstätte der Lugier, heute wahrscheinlich Breslau
Trofea = Goslar, in der Nähe ist ein Kultplatz eingezeichnet
Nftina?! = Stadt an der Warnow
Roaebig, könnte Würzburg sein
Calefia = Lodz
Fragona = Frankfurt an der Oder?
Lugidi = Fürstenberg- (der Lugier?), heute Eisenhüttenstadt

Diese antike Karte beweist, dass die germanische Silbe, oder besser das Wort „Bude“ sehr alt sein muss und als Teil eines Ortsnamens darauf hinweist, dass es sich um eine Ansammelung von Hütten/Buden handelt.
Auch das fränkische Wort „Büttnerei“, dh. Werstätte, in der Holzgefäße gebaut werden, könnte einen ähnlichen Ursprung haben.

Flussnamen auf der Karte, die man den heutigen Flüssen zuordnen kann:

Albis/Albia = Elbe,
England wurde zu römischer Zeit teilweise auch Albion genannt.
Also ein Hinweis darauf, dass Britanien schon früh Kontakte zu den Völkern an der Elbe hatte, wahrscheinlich war England auch deshalb, während der Völkerwanderungszeit, das Hauptmigrationsziel der Sachsen, Angeln und Jüten.

Infurgus = Weser
Amafus = Ems
Renus = Rhein
Danub = Donau
Chaludus = Warnow
Fünus = Oder
Madus = Parsęta (Polen)
Istula = Weichsel (Polen)

Laut TV wurde diese Karte wissenschaftlich von dem Geodäsieinstitut der TU Berlin ausgewertet. Ich habe auch eigene Überlegungen zu den Orten oben beigefügt. Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Geodäsieuntersuchung wurden in dem Buch
„Germania und die Insel Thule: Die Entschlüsselung von Ptolemaios‘
„Atlas der Oikumene“ veröffentlicht.

Diese Ergebnisse wurden bereits auch innerhalb der modernen Popkultur, u.a. in dem historischen Strategie- und Aufbauspiel „Attila Total War“ veröffentlicht, indem man versuchte eine möglichst genaue Wiedergabe der Landschaft Europas um das Jahr 400 n.Chr. zu erstellen. Eine interaktive Karte des Spiels, welche mit Stammes- und Ortsnamen versehen ist, werde ich unten in den Quellen verlinken.

Städte in Mitteleuropa aus vorgermanischer Zeit:

Was Ptolemäus Karte „Magna Germania“ leider komplett außen vor lässt, ist die Tatsache, dass durch die moderne Wissenschaft der Archäologie und andere Autoren der Antike auch schon ältere Städte auf dem späteren Germanien beschrieben und heute wissenschaftlich relativ gut nachgewiesen sind.

  

 

1. Die wohl älteste, bisher bekannte Stadt Deutschlands ist BERNSDORF
(Zeitepoche: Bronzezeit)
„Die versunkene Siedlung war ein bronzezeitlicher Knotenpunkt auf der über 5000 Kilometer langen Route zur baltischen Ostseeküste. Bernstorf, häufig als das „bayerische Mykene“ bezeichnet, ist eine der derzeit aufregendsten Grabungen in Deutschland. (…) Es besaß auch einen Schutzwall.“

2. Die HEUNEBURG
(Zeitepoche: klassische Antike)
„Die Heuneburg ist eine vor- und frühgeschichtliche Höhensiedlung am Oberlauf der Donau im Ortsteil Hundersingen der Gemeinde Herbertingen etwa 14 km östlich von Sigmaringen im Landkreis Sigmaringen. Die befestigte Kernanlage des frühkeltischen Fürstensitzes aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. ist etwa 300 Meter lang und bis zu 150 Meter breit. Sie ist eine der bekanntesten Fundstellen aus keltischer Zeit in Mitteleuropa.“

3. DIE KELTISCHE METROPOLE MANCHING
(Zeitepoche: römische Republik)
Die wohl größte und mächtigste Stadt nördlich der Alpen war lange Zeit das keltische Manching, in der Nähe des heutigen Ingolstadt. Diese Keltenfestung exestierte etwa 300 – 80 v.Chr. Sie war ein Oppidum (befestigte Anlage) mit mindestens 5000 Einwohnern um das Jahr 120 v.Chr. herum. Möglicherweise waren es sogar doppelt so viele. Ab dem Jahr 100 v.Chr. beginnen die Kelten von Manching ihre Stadt mit einer gewaltigen Mauer zu befestigen, in der etwa 500 000 t Material verbaut wurden. Sie war die wohl erste, planmäßig erbaute Stadt nördlicher der Alpen. Dabei war nur ein Teil innerhalb der Stadtmauern wohntechnisch bebaut, denn ein Großteil ihrer Felder und Weiden lag innerhalb der Stadt, so konnten die Einwohner auch lange Belagerungen überleben. Im Zentrum der Altstadt wurden Tempel errichtet.
Den Anfang zum Aufstieg als wichtige Keltenstadt verdankte Manching anfangs wohl seinen Eisenschmieden, später sollte diese Stadt auch ein letzter, großer Handelsplatz der Bernsteinstraße sein, bevor man das Mittelmeer erreichte.

Später jedoch wurde Manching, die erste, große Stadt nördlich der Alpen, DAS Zentrum für den Sklavenhandel. Ihr Hauptziel: Die germanischen Bauern. Die überlegenen Krieger der Kelten waren zu jener Zeit bereits mit Eisenrüstungen und Waffen ausgerüstet, gegen die die einfachen, damals noch rückständigen Germanen keine Chance hatten. Immer wieder zogen Räuber- und Entführertrupps von Manching aus, um Dörfer der Germanen und anderer Nachbarn zu plündern und ihre Einwohner zu versklaven. Wenn man also irgendwo in der damaligen, römischen Republik germanische Sklaven sah, konnte man sich sicher sein, dass diese von Manching aus ans Mittelmeer verschleppt und verkauft wurden. Es gibt Aufzeichnung, die belegen, dass besonders blonde Frauen sehr hohe Preise erzielten. Die Quelle ihres großen Reichtums (Sklaven), könnte auch der Grund für ihren späteren Untergang gewesen sein. Genau zur gleichen Zeit, in der die gewaltigen Stadtmauern entstehen, fangen die ersten germanischen Stämme an sich zu Kriegszügen zusammen zu schließen und nach Süden zu ziehen. Ein besonderer Schreck für Rom war der sogenannte Kimbernzug 120 v.Chr.Sicher habe einige Germanen, deren Dörfer niedergebrannt und deren Angehörige als Sklaven verkauft wurden, nicht vergessen, was Manching für ein Ort war und haben sich den größeren Kriegszügen der Teutonen und Kimbern angeschlossen. Ja, vielleicht haben sie den Kimbernzug sogar auf die Stadt zugelenkt.In ein paar Tagen wird es noch einen eigenen Artikel über Manching geben.

4. MAGDALANSBERG
(Zeitepoche: Roms Wandel von der Republik zum Imperium)
„Die Stadt auf dem Magdalensberg ist eine vom ersten Jahrhundert v. Chr. bis zur Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. bewohnte norische Siedlung an den Hängen und am Gipfelplateau des Magdalensbergs am Rand des Kärntner Zollfelds. Sie war vor und in der Anfangsphase der römischen Besatzung ein wichtiger Handelspunkt, insbesondere für das norische Eisen. Die Siedlung wurde nach dem Bau der römischen Stadt Virunum am Zollfeld aufgegeben, wobei die dokumentierte Siedlungsdauer nur rund 90 Jahre betrug. Bedeutendster Einzelfund ist der Jüngling vom Magdalensberg.“ Virunum, das spätere Wien, sollte den wichtigen römischen Vasallenstamm der keltischen Noricer besser in das römische Reich assimilieren und somit die Produktion des norsichen Stahls erhöhen und für die Legionen Roms endgültig sicher stellen.

Der Mecklenburger Hobby-Historiker Christopher Motz möchte ergründen, was die Welt im Innersten zusammen hält. Die Geschichte des vergangenen Seins und das Wissen über Sie lässt uns die Welt von heute besser verstehen,.

Quellen:

Ptolemaeus Karte: Magna Germania
https://upload.wikimedia.org/…/Ptolemaeus_Magna_Germania.jpg

Ptolemaeus Weltkarte 100 n.Chr.
https://upload.wikimedia.org/…/com…/2/23/PtolemyWorldMap.jpg

https://www.zdf.de/kul…/aspekte/germania-war-anders-100.html

https://www.amazon.de/Germania-die-Insel-Thule…/…/3534237579

http://www.altwege.de/roemer-und-…/karte-des-ptolemaeus.html

Interaktive Karte von Creative Assembly: Europa um 400 n.Chr.
https://www.honga.net/totalwar/attila/region.php…

https://de.wikipedia.org/wiki/Bibliothek_von_Alexandria

Marbods Königssitz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maroboudon

https://de.wikipedia.org/wiki/Treva

https://de.wikipedia.org/wiki/Touliphourdon

https://en.wikipedia.org/wiki/Rugii

https://de.wikipedia.org/wiki/Stadt_auf_dem_Magdalensberg

https://de.wikipedia.org/wiki/Heuneburg

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenh%C3%BCttenstadt

http://www.enzyklo.de/Begriff/B%C3%BCttnerei

Sklavenpreise im alten Rom:
http://imperiumromanum.com/wirtschaft/wert/preise_03.htm

Die Kimbernzüge, erste germanische Migration:
PS „kimbern“ soll angeblich ein altes Wort für „plündern“ sein
https://de.wikipedia.org/wiki/Kimbern

Die Bernsteinstraße:
https://www.zdf.de/…/die-bernsteinstrasse-das-magische-sieg…

Infos zur Stadt Manching:
Geo-Epoche: Die Kelten – Artikel: „Die bedrohte Metropole“, ab Seite 86